Die universelle Sprache der Gewalt

John und Cane treffen ihr Höheres Selbst

Der Isotope Philosoph ist wieder am Start und hat ein paar Gedanken zu Pfingsten und eine halbe Kinokritik zu John Wick : Chapter 4 in petto. Wie schon zu Ostern anhand von Encanto geschehen, nehmen wir Pfingsten als Anlass, um den Blick auf den vierten Teil der Film-Reihe mit den Begriffen der Isotopen Philosophie zu erweitern.

Bevor der Film in den Fokus kommt, kurz einen Exkurs in die Religion.

Was hat es denn mit Pfingsten und der Abfolge der christlichen Feste auf sich? Knappe Antwort für die Ungeduldigen: Sie sind alle „Feiern des Lebens“, das sich in der Abfolge von Geburt und Tod ständig selbst erhält und erneuert.

Da Weihnachten zur Wintersonnenwende gefeiert wird, scheint es vor allem die Geburt als Thema zu haben: Nach der zunehmenden Dunkelheit und der längsten Nacht machen sich nun langsam wieder Wärme und Licht bemerkbar. Nachvollziehbar, dass hier Christus als Sinnbild des Lichtes geboren wird.
Selbstverständlich geht es dann zu Ostern um die Feier der Wiedergeburt: deswegen die Symbolik von Frühling, Hase und Ei. Die Natur ergreift Licht und Wärme und wacht nach einem langen Winter wundersam wieder auf, verlebendigt sich zu einem neuen Jahreslauf. Geburt und Wiedergeburt werden greifbar; so auch die Auferstehung des Christus.
Pfingsten ist danach ein etwas verkopftes Fest, schwer zu verstehen… es geht um die Aussendung des Geistes, also einem Aufwachen an diesem neuen Morgen und das Öffnen der Augen, das Öffnen für den Geist und das Erkennen der Welt in einer neuen Perspektive (letztlich der christlichen Nächstenliebe).

Pfingsten und die Sprache

Die charismatischen Pfingstler haben eine besondere Sitte, die Ausgießung des Heiligen Geistes mit dem „Zungenreden“ zu versinnbildlichen. Leider kommt dabei nur Kauderwelsch heraus und die Sache verkommt zu einer Gruppenhypnose (bis hin zur Massenpsychose). Das kann ja nicht gemeint sein…

Das Lernen und Sprechen der fremden Sprache ist eine Methode, den Standpunkt des Fremden zu erkennen und eine gelingende Kommunikation zu erreichen. Hier schwingt ein Verständnis für die Kultur des anderen mit, ein Bemühen um die Perspektive des Anderen. Das ist weit mehr, als ein computergestützter Übersetzer je beitragen könnte.

Wie auf diesen Seiten (die mit dem Ei) näher geschildert wird, realisiert die Besinnung und Öffnung für den Heiligen Geist einen Prozess des 🥚 Aufwachens und 🥚 Erwachens. Sprache ist also ein Kontakt zum Heiligen Geist (heilig deswegen, weil dort am Ursprung alles Eins, also „Heil“ ist, wir also im Geiste verbunden sind). In einer guten (gewaltfreien) Kommunikation untereinander schwingt also der einende, heilende Geist mit. Genauso universell, also allgemein verständlich, ist die Sprache des Körpers, insbesondere der rohen Gewalt – unmissverständlich.

Gewalt als Kommunikationsmittel der Egoperspektive

Zunächst geht wieder ein Dank an den Filmanalysten Wolfgang M. Schmitt, der in seiner Analyse den entscheidenden Punkt zu John Wick ins Spiel brachte: Es sei ein Film über das Licht und den Raum – so hoch stilisiert, dass die Gewaltdarstellung transzendiert werden könne und hinter eine ganz andere Botschaft zurücktrete: über Willkürherrschaft, Regelwerke, die Unterwerfung des Subjekts; „Staat heißt das kälteste aller kalten Ungeheuer“ (Nietzsche).

Wick trete als das gefangene Subjekt auf, das nicht mehr Mensch ist (sein darf) in einer fremdbestimmten Welt. Die „Hohe Kammer“ ist somit Projektionsfläche für alle Fremdbestimmung – passend für eine Welt, in der alles nunmehr auf mafiöse Strukturen hinauszulaufen scheint und diese immer offensichtlicher und dreister werden.

Diese Machtstrukturen, die oft als Pyramide (insbesondere mit einem „Auge“ an der Spitze) versinnbildlicht werden, greifen kompromisslos auf das Individuum* zu, versuchen stets aus den Menschen ein „Dividuum“ zu machen, nach dem Prinzip „teile und herrsche“. Wick kann sich deswegen nicht aus deren Zugriff lösen, weil er sich vom Geist abgewandt hat und somit keine integrierte Persönlichkeit mehr ist. Nur in der Hinwendung zum Geist und damit zu einer offenen (pfingstlichen?) Haltung dem fremden Menschen gegenüber, kann Kommunikation gelingen. Alles andere provoziert Gewalt – dem Metier mit dem sich Wick am besten auskennt.

Tatsächlich erkennt man – nach fast drei Stunden Kampftumult und dem unvermeidlichem Tod des Protagonisten – nicht Bewegung und Entwicklung als Grundthema des Films, sondern eher den Hinweis auf eine Lähmung. Also wieder keine klassische Heldenreise?
Es ist deswegen keine Heldenreise, weil eben der Tod die „Erlösung“ ist und nicht die Lösung eines Konflikts und die Entwicklung daran. Dies ist also das Kennzeichen der Gewalt, dass keine Entwicklung stattfinden kann, sondern eine Verwicklung; bis hin zur Erdrosslung darin. Diese exorbitante Reise durch Räume von Licht und Schatten (Schmitt) ist – mit diesem Ergebnis – absurd und verweist somit gerade auf den inneren Prozess.

Der Film arbeitet also immer wieder mit metaphorischen Bildern, wie dem Kampf am Arc de Triomphe, dessen Kreisverkehr dem buddhistischen Lebensrad entspricht, zu dessen Zentrum (also zur Erleuchtung) Wick nicht findet, sondern sich an der Peripherie abkämpft. Um in der Mitte (dem Triumph) anzukommen, muss man in der Mitte bleiben (ein wesentliches Prinzip des Aikido!).

Nichts kann im Außen entstehen, was nicht schon innerlich (im Bewusstsein) vorbereitet ist.

Die innere Einstellung spiegelt sich in der Erfahrung der äußeren Welt. So kann das Ausleben der Egoperspektive in der Welt nur eine Gewaltspirale „nach unten“ bedingen, während das sich öffnen zum Geist hin – und für die Anliegen anderer – eine Spirale der Harmonie „nach oben“ einleitet. Das gilt im privaten Leben genauso wie im globalen System. Wo die Sprache versagt, setzen die Fäuste das Gespräch fort.

Natürlich ist es hochsymbolisch und tiefgründig, wenn sich Wick in Paris die 237 Stufen nach Sacré-Cœur (dem „Heiligen Herzen“) hochkämpfen muss. Wie Sisyphos erklimmt er ringend, schießend und immer wieder fallend den Weg zu jener Basilika auf dem Montmartre (dem „Berg der Qualen“). Dort wird er, sozusagen an der Spitze der Pyramide, ein Duell antreten – nur um zu realisieren, dass er selbst lediglich ein Werkzeug der „Hohen Kammer“ war, um Platz für eine neue Spitze zu schaffen: Der sinistre „Marquis“ war für andere unbesiegbar geworden, John Wick musste es richten…

Hier liegt die Erkenntnis, dass die Verstrickung in Schuldkonzepte nur einen Nutzen hat: Arbeitskraft zu binden. Schulden sind nicht dazu da, getilgt zu werden, sondern über längere Zeit Zinsen zu generieren. Dieses System hat kein Interesse an Tilgung, sondern nur an Neuverschuldung und erneuter Verzinsung. So wird die Arbeitskraft gebunden und agiert optimal immer im Sinne des Systems.

Hat Wick im Todesmoment eine Erkenntnis?

Er hat die Stufen genommen, nun mag sein Herz im Tod gesunden – er stirbt in Gedanken an seine geliebte Frau. Viel näher kann man Hesse nicht kommen: „Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden…
Hier endlich – könnte man meinen – kommt eine Haltung ins Spiel, die das Leben mehr als Tanz denn als Kampf sieht. John Wick mag sich seinem Ideal annähern, ein tanzender Kämpfer zu sein. Erlösung und Frieden muss er zunächst in sich finden.

So kommt es auch – wie oben in dem Bild veranschaulicht – in jener Kirchenszene zu einer Begegnung von John und Cane, in der sie ihre gemeinsame Verbindung spüren. Sie sind Freunde, niemals wird es Kampf geben unter ihnen, sie bleiben im höheren Sinn eines Tanzes verbunden. Diese Freundschaft ist es, die über den Tod hinaus reicht, und damit die Grundlage für eine Erkenntnis beinhaltet: An der Quelle ist unser Bewusstsein eins – untrennbar verwoben.

Zwischen zwei Individuen kann es folglich keinen Kampf geben, denn sie leben im Bewusstsein einer gemeinsamen Quelle. Kampf entsteht zwischen „Dividuen“, die ihre geistige Wurzel verloren haben: Der Tanz degeneriert zu einem Kampf und was zuvor einvernehmlich und harmonisch war, splittert sich schmerzhaft in eine Konstellation von Täter und Opfer.

Eine der schwierigen Fragen in der Isotopen Philosophie ist die Annahme, dass sich diese Verhältnisse nachtodlich spiegeln und hier ein fließendes Kontinuum zwischen Tanz und Kampf besteht, so wie auch Geburt und Tod für das höhere Bewusstsein fließend ineinander übergehen. Aus alten Tätern werden neue Opfer, die Perspektiven gleichen sich ab. Es bleibt ein universeller Tanz – nur die Sprache ändert sich, die Richtung, die Entscheidung für eine Weiterentwicklung oder für einen Rückschritt des Bewusstseins.

Was kommt als Fortsetzung des Franchise also besser in Frage als ein Film mit dem Titel Ballerina?

Anmerkung

* Ein Individuum im Sinne der Isotopen Philosophie ist ein Mensch der sich als untrennbare Einheit aus Geist, Seele und Körper versteht.